Für Europa neu begeistern

Unser Generalsekretär Lars Klingbeil ließ während der Sondierungsrunden dieser Tage einen bemerkenswerten Satz fallen: „Es ist gut zu sehen, dass das Thema Europa federführend von den Chefs der beteiligten Parteien verhandelt wird.“ Das sehe ich genauso: Europa muss wieder in den Fokus rücken. Zu drängend sind weltweite Problemstellungen wie der Klimawandel, die Flüchtlingsbewegungen oder die internationale Steuerflucht als dass wir hier weiterhin mit nationalstaatlichen Lösungsversuchen herumdoktern. Nur als geeinter Kontinent haben wir die nötige Durchsetzungskraft. Innerhalb der Europäischen Union spielt Deutschland aufgrund seiner Geschichte und seiner wirtschaftlichen und politischen Kraft eine zentrale Rolle.

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Gerade jetzt, in Zeiten in denen die EU unter starkem Beschuss der Populisten und Nationalisten steht, brauchen wir eine neue gemeinsame Vision. Der Brexit, die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens und das Erstarken des nationalistischen Populismus in etlichen europäischen Ländern machen deutlich, dass wir die europäische Idee und unsere gemeinsamen Werte nicht nur mit Worten, sondern auch mit konkreten neuen Ideen und Konzepten beleben müssen. Ich pflichte hier dem französischen Präsidenten Emanuel Macron bei, der gesagt hat, dass es an der Zeit sei, eine neue, positive Geschichte von Europa zu erzählen. Echte Fortschritte in enger Zusammenarbeit sind unser Ziel, um den europäischen Geist von Toleranz, Frieden und wirtschaftlicher Einheit zu erhalten.

Heimat ist in diesem Sinne kein Land, kein streng festgelegter Ort. Europa lebt vom Austausch, vom friedlichen Miteinander. Dazu gehört auch, gemeinsam Lösungen zu finden für drängende Fragen wie die Flüchtlingskrise und oder die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Südhälfte unseres Kontinents. Die EU jedenfalls hat in meinen Augen nur geeint eine Chance, Lösungen für diese überstaatlichen Herausforderungen zu finden. Und damit meine ich definitiv nicht nur eine wirtschaftliche Kooperation aller Mitgliedsstaaten der EU, sondern eine verstärkte Zusammenarbeit: bei grenzüberschreitender Kriminalität, bei Steuerflucht, bei der Verteidigungspolitik und, und, und …

Auf der anderen Seite ist auch klar, was definitiv nicht dazugehört: Nur um am rechten Rand zu fischen, lädt man nicht wie die CSU Staatschefs wie Victor Orban ein, die ein gemeinsames Europa nur dann akzeptieren, wenn es Vorteile für sie bringt, aber Solidarität über Bord werfen, wenn Hilfe und Zusammenarbeit gefragt sind. Wir brauchen mehr Solidarität, wir brauchen mehr Zusammenhalt - und wir brauchen mehr Haltung FÜR Europa.

Keine Frage, wir brauchen einen neuen Anlauf, um wieder Begeisterung für eine starke europäische Idee zu entfachen. Der europäische Optimismus ist nach dem Fallen der Schlagbäume und der Einführung des Euro abgeebbt. Das Feuer der Begeisterung ist noch nicht erloschen, aber es muss neu entfacht werden. Der neue französische Präsident bietet mit seinem proeuropäischen Kurs dazu nun eine große Chance. Vielleicht ist es die letzte, die die Europäische Union bekommt.