Die Brandstifter – benennen und bekämpfen!

Anfang Juli wurde der Verfassungsschutzbericht vorgestellt. Die Gewaltbereitschaft ist in nahezu allen extremistischen Bereichen gestiegen. Der Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hat klare Worte gefunden, um die Realität in unserem Land zu beschreiben. Seine Klarheit gibt mir Hoffnung, dass wir nach den verlorenen Jahren des Beschönigens und Vertuschens unter Hans-Georg Maaßen nun bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus vorankommen.

Wir erleben eine gestiegene Gewaltbereitschaft in fast allen Bereichen. Ich habe in den letzten Monaten zwei Drohbriefe an mein Büro erhalten. Deshalb habe ich den Bericht dieses Jahr noch einmal mit anderen Augen gelesen. Vor allem die neue Rechte spricht bestimmten Personengruppen ihre Menschenwürde ab, konstruiert Ausnahmezustände, die jedes Mittel erlauben, und versucht so Gewalt gegen Menschen als legitimes politisches Mittel zu platzieren. Die Briefe an mein Büro wurden von zwei Mitarbeiterinnen geöffnet. Zwei Mütter, deren einziger „Fehler“ es war, im Abgeordnetenbüro und der Parteigeschäftsstelle für das Gemeinwohl zu arbeiten. Sie verzichten oft auf Freizeit, um Bürgerinnen und Bürgern bei ihren Anliegen zu helfen. Sie sind immer freundlich, über jedes Maß hinaus engagiert und immer auf der Suche nach der besten Lösung für alle – und als Dank mussten sie Briefe mit Drohungen, Patronenhülsen und Messern öffnen.

Selbstredend habe ich versucht, durch verschiedene Maßnahmen das Risiko zu minimieren. Aber mein Punkt ist: Dies ist keine zufällige Entwicklung. Diese Eskalation hat System. Die Angst wird wieder gezielt verbreitet und als Waffe eingesetzt. Mein Kollege Karamba Diaby musste erleben, wie sein Büro beschossen wurde. Die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag, Janine Wissler, erhielt Morddrohungen an ihre geheime Privatadresse, unterzeichnet mit NSU 2.0. Die Spirale dreht sich immer weiter. Es beginnt mit Beschimpfungen in den anonymen sozialen Netzwerken, steigert sich über gemeinsame Hasserlebnisse in der Öffentlichkeit wie z.B. Demos, auf denen Hassausbrüche als „gelebte freie Meinungsäußerung“ gefeiert werden und endet leider nicht bei persönlichen Drohungen.

Ich glaube, Thomas Haldenwang hat völlig Recht, wenn er sagt, dass wir die geistigen Brandstifter benennen müssen, die das eigentlich Unsagbare salonfähig machen und als politischen „Schlagring“ nutzen. Sie sitzen inzwischen in unseren Parlamenten. Es ist unser aller Aufgabe, immer wieder klar zu machen: Die Menschenwürde muss auch im politischen Schlagabtausch unantastbar sein. Wer dazu aufruft, Menschen zu „entsorgen“, der trägt eine Mitschuld, wenn solche Hetze Realität wird. Als Demokraten müssen wir das wieder und wieder und wieder benennen. Wir dürfen die Grenzen des Diskurses nicht verschieben lassen.

Und wir müssen mit den Mitteln unserer demokratischen Staates mit aller Härte gegen den Extremismus vorgehen. Das gilt für die vielen „kleinen“ Grenzüberschreitungen, die täglich in den sozialen Medien stattfinden. Das gilt aber eben auch für den Verfassungsschutz. Eine Partei wie die AfD, die das Prinzip der Menschenwürde und der freiheitliche-demokratischen Grundordnung klar ablehnt, muss nicht nur in Teilen, sondern insgesamt vom Verfassungsschutz beobachtet werden. In den vergangenen 1 1/2 Jahren konnte viel von dem unter Maaßen verspielten Vertrauen wiederhergestellt werden. Jetzt dürfen wir aber nicht nachlassen.

Eine Demokratie braucht eine demokratische Gesellschaft. Die Worte Karl Poppers aus dem Jahr 1944 sind auch heute aktuell: „Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels. Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“