Der Atomausstieg kommt – Einsatzreserve für Extremfall

Wir haben in Deutschland eine sehr hohe Versorgungssicherheit im Stromsystem, auch ohne Atomkraft. Das hat der diese Woche veröffentlichte Stresstest gezeigt. Um für den extrem unwahrscheinlichen Fall gewappnet zu sein, dass Strom europa-weit knapp wird, sollen zwei Kernkraftwerke bis April 2023 in Einsatzreserve bleiben.

Atomenergie bleibt eine unzuverlässige Hochrisikotechnologie. Sie hinterlässt für Jahrmillionen hochgiftigen, radioaktiven Müll. Für dessen Entsorgung gibt es noch keine Lösung. Es ist vor allem der Ausfall französischer Atomkraftwerke, der die Preise auf dem europäischen Strommarkt derzeit in ungekannte Höhe treibt. Deutschland ist Stromexportland, unsere Stromversorgung ist sicher.

Aber seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist der europäische Energie- und Strommarkt äußerst angespannt. Aufgrund der engen Vernetzung der Stromversorgung können stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem in extremen und extrem unwahrscheinlichen Szenarien auch in Deutschland im Winter nicht vollständig ausgeschlossen werden. Etwa wenn unter anderem die französischen Atomkraftwerke nicht an den Markt zurückkehren, Niedrigwasser weiter die Steinkohleversorgung beeinträchtigt und zudem ca. die Hälfte der Netzreserve nicht betriebsbereit wäre.

Aber: Atomstrom sichert nicht die Versorgung und hilft uns nicht, die Preise zu senken. Im Stresstest wurde der mögliche Effekt eines Weiterbetriebs der drei Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim untersucht. Sie könnten nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Netzstabilität leisten, da der größte Redispatchbedarf – also kurzfristig Strom zum Ausgleich von Netzengpässen zur Verfügung zu stellen – im Ausland anfällt. Der Redispatchbedarf im Ausland von 5,1 GW (ohne deutsche AKW) könnte nur um 0,5 GW gesenkt werden.  Auch der Effekt auf den Strompreis wäre äußert gering: Nach Berechnungen des Öko-Instituts würde ein Weiterbetrieb lediglich zu einer Preissenkung von 0,5 bis 0,8 Prozent führen.   

Und: Atomstrom ersetzt kein Gas. Wenn die Brennelemente komplett ausgebrannt würden, würde nur minimal weniger Strom in Gaskraftwerken erzeugt – nämlich in Deutschland 0,9 Terrawattstunden weniger, das entspricht etwa 1 Promille des Gasverbrauchs – eine minimale Einsparung. Deshalb ist es auch nicht möglich, russisches Gas mit Atomenergie zu kompensieren.

Wir arbeiten deshalb an einem Bündel anderer, wirksamer Maßnahmen: der Nutzung von Kraftwerksreserven und der Marktrückkehr von Kohlekraftwerken, zusätzlicher Strom­pro­duktion in Biogasanlagen, Maßnahmen zur Höherauslastung der Stromnetze und der Verbesserung der Transportkapazitäten. Mit einer Strompreisbremse für den Grundbedarf werden wir dafür sorgen, dass der Basisverbrauch an Strom trotz der Marktturbulenzen bezahlbar bleibt. Nur zur Absicherung des Netzes im Notfall soll eine begrenzte AKW-Einsatzreserve aus den beiden Atomkraftwerken Isar 2 und Neckarwestheim geschaffen werden – und zwar klar befristet bis Mitte April 2023.

Am Atomausstieg halten wir fest. Die drei Atomkraftwerke werden planmäßig Ende 2022 vom Netz gehen. Neue Brennelemente werden nicht geladen. Eine Laufzeitverlängerung wäre schon im Hinblick auf den Sicherheitszustand der Atomkraftwerke nicht vertretbar – die letzte der alle zehn Jahre fälligen periodischen Sicherheitsprüfungen beider Kraftwerke fand 2009 statt.

Der beste Weg aus der Krise auf dem Strommarkt ist und bleibt, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen so schnell wie möglich auszubauen und die verfügbaren Reserven etwa beim Biogas zu nutzen. Das werden wir möglich machen!